Brachycephales Syndrom – Behandlungsmöglichkeiten

Französische Bulldoggen, Möpse, Englische Bulldoggen, Old English Bulldog, und Perserkatzen sind die bekanntesten Vertreter dieses Rassetypus. Der Ausdruck brachycephal bezieht sich auf die Schädelform der Tiere. Die Schädelform wurde runder und kürzer gezüchtet als bei anderen Rassen, wodurch ein von vielen Menschen als niedlich empfundenes Aussehen entstand. Die Züchtung auf den verkürzten und runderen Schädel führt allerdings zu gravierenden, mitunter lebensbedrohlichen Problemen, nicht nur an den Atemwegen. Die Erkrankungen, die durch diese Zucht entstehen, werden unter dem Begriff „Brachycephales Obstruktives Syndrom (BOS)“ zusammen gefasst. Wenn ein Patient vom BOS betroffen ist, bestehen mehrere Probleme mit unterschiedlicher Ausprägung.

Die Hauptmerkmale des BOS sind:

-Verengte Nasenlöcher (stenotische Nares)
-Die Luftpassage durch die Nase behindernde Nasenmuscheln (hypertrophe Conchen)
-Ein zu langes und verdicktes Gaumensegel
-Kehlkopfkollaps
-Ein verkleinerter Durchmesser der Luftröhre (hypoplastische Trachea)
-Chronisch vorgefallene und vergrößerte Tonsillen

Die klinischen Auswirkungen der beeinträchtigten Atmung zeigen sich in verminderter Leistungstoleranz, langem Nachhecheln nach der Belastung und oft auch in Form von Magenbeschwerden wie Erbrechen von Schleim, vermehrtes Grasfressen, Aufstoßen, Schmatzen und Schlecken. Die Atemnot kann allerdings auch so gravierend sein, dass die Patienten von den normalen Anforderungen eines Hundelebens (Autofahren, Besuch, Füttern) so überfordert sind, dass sie zyanotisch werden (blaue Verfärbung der Zunge) und sogar kollabieren.

Es muss an dieser Stelle klar gesagt werden, dass jedes Nebengeräusch bei der Atmung ein Anzeichen für eine Einengung der Atemwege ist. Grunzen, schniefen und röcheln ist weder normal noch Rassespezifisch. Nebengeräusche bei der Atmung entstehen durch Turbulenzen im Luftstrom. Turbulenzen entstehen dann, wenn der Luftstrom nicht frei fließen kann, also behindert oder eingeengt wird.

Das Tückische am Brachycephalen Obstruktiven Syndrom ist, dass es im Laufe des Lebens des Patienten immer schlimmer wird. Wenn ein Welpe im Alter von 8 Wochen leichte Nebengeräusche bei der Atmung zeigt, so „verwachsen“ diese sich nicht, sondern werden im Gegenteil mit zunehmendem Alter stetig schlimmer. Das Gewebe, das den Luftstrom behindert, leidet unter der permanenten Irritation. Es wird dicker und fester. So entsteht ein Teufelskreis. Episoden von starker Atemnot, wie sie bei Aufregung, Belastung, Stress auftreten können, fügen dem Gewebe bleibenden Schaden zu.

Es ist aus diesem Grund nicht ratsam abzuwarten, wenn Sie bei Ihrem Tier Probleme bemerken, sondern sofort aktiv zu werden. Bitte warten Sie auch saisonale Einflüsse nicht ab. Wenn Ihr Tier im Winter gut atmet und im vergangenen Sommer Probleme hatte, so sind diese Probleme nicht verschwunden, sondern kommen mit den warmen Temperaturen unumgänglich wieder

Ablauf von Diagnostik und OP

Zu Beginn Ihres Termins wird Ihr Hund im wachen Zustand untersucht. Im Anschluss an die Untersuchungen folgt die weiterführende Diagnostik mit den ersten Operationen in derselben Narkose. Um einen Patienten richtig einschätzen und ihm so optimal helfen zu können, müssen alle oben aufgeführten anatomischen Abweichungen kontrolliert und beurteilt werden. Um die innen liegenden Anteile des Atemapparates untersuchen zu können, ist eine Narkose notwendig. Die Narkose ist beim brachycephalen Patienten nicht gefährlicher als bei jedem anderen Patienten, wenn die anatomischen Besonderheiten bekannt sind und berücksichtigt werden.

In der Narkose werden zuerst Mund- und Rachenhöhle untersucht, damit beurteilt werden kann, wie lang das Gaumensegel ist, ob der Kehlkopf kollabiert, ob die Stimmtaschen chronisch verändert sind, wie breit und dick die Zungenbasis ist und ob die anderen anatomischen Strukturen in diesem Gebiet gesund sind (Zähne, harter Gaumen, Zahnfleisch, Unterzungengrund, etc.).

Danach wird Ihr Hund intubiert, damit die Luftpassage für die Atemwege die ganze Zeit über gesichert ist. Als Intubation bezeichnet man das Einführen eines speziellen Silikonschlauches (Trachealtubus) in die Luftröhre über den Weg der Mundhöhle.

Um die Luftröhre, die Brustwirbelsäule und die Nasenmuscheln darstellen zu können wird ein CT Scan angefertigt. Anschließend wird er Rachen und die Nasenhöhle anschließend mit der Kamera untersucht (Rhinoskopie). Der CT Scan zeigt im Detail, ob die Nasenmuscheln verdickt sind und die Atmung behindern. Ergänzend werden rhinoskopisch die Nasenmuscheln im Detail dargestellt.

Direkt im Anschluss an die Diagnostik wird Ihr Hund operiert. Das hat zum Vorteil, dass Ihr Hund nicht zweimal unter Narkose muss und Sie nicht von vornherein zwei Termine wahrnehmen müssen.

Der erste chirurgische Eingriff konzentriert sich auf die prominentesten Engstellen. Das sind in der Regel das zu lange Gaumensegel, die zu engen Nasenlöcher und hypertrophe Nasenmuscheln, hypertrophe Rachenmandeln (Tonsillen). Wenn chronisch veränderte Stimmtaschen vorhanden sind, werden diese auch entfernt.

Meine langjährige Erfahrung mit brachycephalen Patienten zeigt mir, dass es für die Patienten von großem Vorteil ist, wenn besonders vorsichtig und schonend mit dem Gewebe umgegangen wird. Jede Operation führt in einem gewissen Maße zu Schwellung. Das gehört zu dem natürlichen Ablauf von Trauma und Heilung. Eine übermäßige Schwellung im Bereich, der sowieso schon sehr engen Atemwege eines BOS Patienten, kann allerdings katastrophale Folgen haben. Mein Ziel ist es, dass Ihr Hund ohne Komplikationen die Narkose und Operationen übersteht und dass wir für jeden Patienten ein individuell auf den einzelnen Patienten angepasstes Set an Eingriffen zusammenstellen. Wenn ein Patient beim ersten Screening chronisch vergrößerte Nasenmuscheln mit wenig Platz für Luftpassage zeigt, empfiehlt es sich, diese Nasenmuscheln zu verkleinern. Hierzu verwende ich die in der Tiermedizin gänzlich neue Radiofrequenztechnik zur Volumenreduktion (Coblation). Der Vorteil gegenüber der älteren Methode der Laser-assistierten Turbinektomie liegt in der Erhaltung der Funktionalität der Nasenmuscheln und der geringen Belastung für den Patienten.

Bei der Volumenreduktion durch Coblation werden die Nasenmuscheln nicht entfernt, sondern in ihrem Inneren mit Radiofrequenzwellen behandelt. Die Nasenmuscheln schrumpfen und ziehen sich im Heilungsverlauf zusammen. Vorteil dieser minimalinvasiven Methode gegenüber dem Entfernen der Nasenmuscheln ist, dass die Luftpassage nach der Heilung nicht mehr behindert wird, aber die Nasenmuscheln und ihre Funktion erhalten bleiben und der Eingriff für den Patient sehr schonend ist. Die Volumenreduktion wird in der Humanmedizin schon seit etwa 40 Jahren für verdickte Nasenmuscheln angewendet.

Auch Menschen leiden unter verminderter Luftpassage durch die Nase aufgrund von hyperplastischen (vergrößerten) Nasenmuscheln, Abweichungen in der Position der Nasenscheidewand (Septumdeviation) und einer Erschlaffung des Gaumensegels. In der humanmedizinischen HNO, wie auch in der Tiermedizin geht der Trend schon lange in Richtung minimalinvasive Chirurgie. Man versucht mit kleinen Eingriffen an verschiedenen Stellen den Patienten zu helfen (Multilevelchirurgie) und nach Möglichkeit, diese Eingriffe so schonend wie möglich für den Patienten zu gestalten. Bei den brachycephalen Patienten kommen mit großer Regelmäßigkeit abnormal gestaltete Nasenmuscheln vor.

Da es sich bei den Nasenmuscheln um regeneratives Gewebe handelt, können unter Umständen mehrere Eingriffe notwendig sein.